programmierbare Shunts
Startseite Allgemeines Historie Anatomie Physiologie Graduierung Diagnostik Therapie häufige Fragen News Autor Literatur

 

Startseite
nach oben
ungewollte Verstellung

 

Einstellbare Ventile 

Es sollte der Begriff "programmierbare" Ventile, - wie er von der Industrie gerne verwendet wird -, vermieden werden, da dies eine Funktion dieses Ventiltyps suggeriert, die er nicht aufweist. Besser sollte der Begriff "einstellbare" Ventile verwendet werden.

 

Was ist bei diesen Ventilen einstellbar ?

Der Öffnungsdruck, d.h. die Druckdifferenz, die überschritten werden muß, um einen Liquorfluß zuzulassen kann durch ein extern auf die Haut aufgebrachtes Steuergerät verändert werden. Die auf dem Weltmarkt vorhandenen Geräte benutzen dazu jeweils die Magnetkraft. Ein Stabmagnet oder ein rotierendes Magnetfeld werden benutzt, um die Vorspannung einer Feder zu verändern

Die Abbildung zeigt das Sophysa SU-8 Ventil. Hier kann die Blattfeder (rot dargestellt) in 8 verschiedenen Stärken vorgespannt werden. Sie rastet dabei in einer der (hellblau dargestellten ) acht Kerben im Gehäuse ein und preßt dann eine Kugel (grün dargestellt) mit unterschiedlicher Kraft in einen Konus. Zwei normale Stabmagnete (gelb dargestellt) befinden sich auf einem (dunkelblau dargestellten) rotierenden Anker. Der Vorgänger dieses Ventils, das Sophysa SU-3 war 1983 das erste am Mark erhältliche einstellbare Ventil. Labortests zeigten, dass alle verstellbaren Ventile, die vor Frühjahr 2004 auf den Markt kamen,  unbeabsichtigt durch Magnetfelder (siehe: ungewollte Verstellung), die uns im täglichen Leben umgeben, verstellt werden können. Zum Teil reichten hier technische Magnetfelder, wie sie in elektrischen Türöffnern oder Kopfhörern entstehen. 

 

 

 

Diese Abbildung stellt den Aufbau des einstellbaren Codmann-Hakim Ventils dar. Auf einer wendeltreppenartigen Helix (blau dargestellt), die um ihr eigenes Zentrum rotiert, liegt eine Blattfeder (rot dargestellt auf. Durch ein perkutan aufgebrachtes rotierendes Magnetfeld kann die Vorspannung der Blattfeder, die wiederum einen Kugel-Konus Mechanismus bedient, variiert werden. Der wesentliche Unterschied zur Sophysa Konstruktion ist, dass über dem Zentrum der Helix ein schnell rotierendes Magnetfeld anliegen muß, um eine Veränderung des Öffnungsdrucks des Ventils herbei zu führen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Ventiltyp durch Magnetfelder, die uns im Alltag umgeben, verstellt wird ist daher geringer als bei der Sophysa Konstruktion. Aber auch dieses Ventil kann von Magnetfeldern (z.B. Kopfhörern) des täglichen Lebens verstellt werden.

Vom Hersteller werden Magnetfelder mit einer Stärke von 60 Gauss (= 6 milli Tesla) und mehr als bedenklich angegeben. Derart starke Magnetfelder finden sich durchaus in unser unmittelbaren Umgebung oder am Arbeitsplatz. Der Zugführer einer Elektrolokomotive wäre hier beispielsweise betroffen. Es muß also das Umfeld des Patienten, der ein Ventil erhalten soll kritisch auf derartige Störgrößen hin abgecheckt werden, um Problem im voraus zu vermeiden.

Ein Magnetfeld das jedoch in jedem Fall erwähnt werden muß, ist die Kernspintomographie. Auch das Codmann Ventil ist in 40% d.F. nach einem MRT (meist aber in geringem Maße) verstellt. Es ist daher notwendig, dass Patienten mit einstellbaren Ventilen unmittelbar nach Durchführung des MRT die Einstellung ihres Ventils überprüfen lassen. Da dies jeweils eine Röntgenaufnahme des Schädels erfordert, kann es im Laufe von Jahren doch zu einer nicht als völlig unbedeutend einzustufenden Strahlenbelastung der Betroffenen kommen. Dieses Problem ist ein Haupt-Kritikpunkt, den Neurochirurgen an diesem System haben.

 

 

Jüngste Entwicklungen in diesem Bereich trugen der Beseitigung dieser Nachteile Rechnung. Die Firma PS-Medical stellte mit dem STRATA-Ventil ein einstellbares Kugel-Konus Ventil vor, dass laut Hersteller durch Kernspintomographen nicht mehr verstellt würde und auch sonst sich gegenüber unbeabsichtigter Verstellung sehr resistent ist. Eine mechanische Arretierung soll dies bewirken. Einzelfallbeobachtungen dieses Ventils deuten jedoch an, dass die Sicherheit des Ventils vor unbeabsichtigter Dejustage offensichtlich doch nicht so perfekt ist, wie vom Hersteller angegeben. Es wurde von einer Wissenschaftler-Gruppe aus den USA festgestellt, dass das Ventil mit einem Stabmagneten mit einer Stärke von 60 - 80 milli Tesla, der 2 cm entfernt vom Ventil über dieses geführt wurde, verstellt wird.  Als Vorteil des Ventils ist jedoch in jedem Fall die Tatsache zu erwähnen, dass zur Kontrolle der Einstellung des Ventils keine Röntgenaufnahme des Schädels erforderlich ist, wie beim Codmann Ventil. Ähnlich wie beim Sophysa Ventil kann man eine Art Kompaß über dem Ventil platzieren, um dessen Einstellung zu kontrollieren. Bedauerlicherweise bietet PS-Medical das Strata-Ventil nur in Kombination mit einem Antisiphon-Ventil an. Ohne dieses eher als bedenklich zu bewertende Anti-Siphon Ventil, wäre das Strata Ventil durchaus eine sinnvolle Alternative zum Codmann Ventil.

 

Heute sind 15 verschiedene einstellbare Ventile am Weltmarkt verfügbar.

Ihnen allen ist gemeinsam, dass sich ihr Öffnungsdruck in verschiedenen großen Schritten auf Werte meist zwischen 3 bis 20  (selten auch 30) cm H2O perkutan einstellen läßt. Bei den meisten Konstruktionen handelt es sich um Kugel-Konus Ventile. Ein einstellbares Schlitzventil ist jedoch auch vertreten und einstellbare Membranventile liegen zumindest als Designstudie vor.

 

 

Bewertung der Vor- und Nachteile einstellbarer Ventile

Die Grundidee Ventile zu konzipieren, deren Öffnungsdruck einstellbar ist, ist sicher sehr sinnvoll. Einerseits ist es auch mit modernsten diagnostischen Methoden manchmal nicht möglich festzulegen, welcher  Ventilöffnungsdruck für den jeweiligen Patienten adäquat ist. Bestimmte Hydrocephalusformen wie Aquäduktstenosen und der LOVA Hydrocephalus können sich ebenfalls in der Therapie als diffiziel erweisen. Außerdem können sich bestimmte physiologische Zustandsbilder (z.B. der intraabdominelle Druck, die intrakranielle Compliance nach Liquordrainage) drastisch ändern und daher kann auch eine Änderung des Öffnungsdrucks eines Ventils notwendig sein. Hier kann ein einstellbares Ventil enorme Vorteile aufweisen. Statt wie früher eine Änderung des Öffnungsdrucks eines Ventils nur durch Austausch des eigentlichen Ventils und damit nur auf dem Wege einer Operation herbeizuführen, erlauben es einstellbare Ventile hier völlig unproblematisch den Öffnungsdruck über weite Bereiche zu verändern ohne dass eine nochmalige Operation notwendig wäre. Dies ist ein gewichtiger Vorteil dieser Produkte. Nicht zu vernachlässigen sind aber auch Nachteile, wie z.B. die ungewollte Verstellung des Ventils durch Magnetfelder und alle hieraus erwachsenden Probleme.

Dort, wo man damit rechnen muß, dass eine Veränderung des Öffnungsdrucks des Ventils notwendig sein könnte, sollten daher diese Ventil auch im Wissen ihrer Nachteile eingesetzt werden. Wichtig scheint mir aber auch die Feststellung, dass eine Vielzahl von Patienten solche einstellbaren Ventile nicht benötigen. Diese Patienten sind angesichts der noch gegebenen Schwächen dieser Ventile allemal mit einem Ventil mit fest eingestelltem Öffnungsdruck besser bedient. Deshalb sollte die Devise lauten: Einstellbare Ventile immer dann, wenn nötig aber wo es möglich scheint sollten sie vermieden werden.

Wesentlich ist es noch eines zu verstehen: Mit einstellbaren Ventilen kann das Problem der Überdrainage nicht gelöst werden, wie es z.T. durch einige Publikationen suggeriert wird.

Um dies zu verstehen muß man sich bewußt machen, wann eine Überdrainage entsteht. Sie entsteht im Stehen, wenn zwischen den beiden Ende des Shunts eine Höhendifferenz von ca 50 cm beim Erwachsenen besteht und somit der gesamte Wasserdruck des 50 cm höher liegende Flüssigkeitsreservoirs Ventrikel auf dem Ventil lastet. Die allermeisten der heute verfügbaren einstellbaren Ventile haben als maximal höchst mögliche Einstellung einen Öffnungsdruck von 20 cm H2O. Der hydrostatische Druck der im Schlauchsystem stehenden Wassersäule überschreitet diesen Druck bei weitem, sodass trotz höchstmöglicher Einstellung des Ventils dennoch eine Überdrainage auftreten kann. Dies ist aber nur ein Aspekt. Der zweite ist, dass eine Erhöhung des Öffnungsdrucks zwar das Ausmaß des negativen intrakraniellen Drucks reduzieren kann. Dies geschieht aber zu Lasten einer ausreichenden Liquordrainage in liegender Position. Mit anderen Wort: Einstellbare Ventile können hinsichtlich ihres Öffnungsdrucks nur für eine Körperposition optimiert werden. Nur in Zusammenarbeit mit einem zusätzlichen Schwerkraftventil erhält man einen nach heutigem Stand der Technik als optimal zu bezeichnenden Shunt.

Wünschenswert für zukünftige Entwicklungen wären einstellbare Ventile, deren Öffnungsdruck bis 40 oder 50 cm H2O erhöht werden kann. Auf diesem Wege könnte es bei einigen Patienten gelingen diese langsam vom Shunt zu entwöhnen, damit sie shuntunabhängig werden.

Des weiteren sollte die Entwicklung einstellbarer Ventile, die nicht durch äußere Einflußgrößen unwillentlich verstellt werden können, vorangetrieben werden. Wichtig wäre auch den aktuell eingestellten Öffnungsdruck ohne zusätzlich Patientenbelastung feststellen zu können.