Schwangerschaft
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Schwangerschaft und Shunt

Zwischenzeitlich ist eine Generation junger Frauen herangewachsen, die z.T. seit Geburt oder als Jugendliche sich einer Shuntoperation oder einer  Ventrikulozisternostomie unterziehen mussten. Daher kommt natürlich immer wieder diese Frage auf: Darf ich denn schwanger werden, worauf muss ich achten.

 

Hiermit soll sich diese Seite beschäftigen. Sie wendet sich dabei sowohl an die Patienten wie auch an die behandelnden Ärzte. Insbesondere die Gynäkologen und Geburtshelfer sollten sich auch mit diesen Inhalten vertraut machen. Die hier beschriebenen Fakten habe ich mir übrigens nicht "aus der Nase gezogen", sondern entsprechen den Therapieempfehlungen des Handbook of Neurosurgery (2006).

 

 

A.)            Allgemeines

 

Patientinnen, die einen Hydrozephalus haben bzw. wegen eines Hydrozephalus einen Shunt bekamen oder in sonst einer Form (z.B. endoskopisch oder mittels Ventrikulozisternostomie) operiert wurden, können grundsätzlich schwanger werden. Hier bestehen ärztlicher Sicht primär keine Bedenken. Es muss jedoch bedacht werden, dass grundsätzlich alle mit dem Hydrozephalus und seiner Therapie verbundenen Komplikationen und Probleme auch während der Schwangerschaft auftreten können. Insbesondere bei ventrikulo-peritonealen (aber auch: ventrikulo-atrialen) Ventilen, also solchen, wo der Schlauch im Bauch oder vor dem Herzen endet, es im letzten Drittel der Schwangerschaft zu Problemen kommen kann, da der "Gegendruck im Bauch" ( und damit auch mittelbar im intrathorakalen Bereich (Brusthöhle)) für das Ventil deutlich ansteigt. Genau dieser Anstieg des Drucks in der Bauch- und Brusthöhle und der sich daraus ergebende erhöhte Druck in den Venen, die Blut aus dem Kopf ableiten, kann zu Problemen führen bei Frauen, die einen unbehandelten Hydrocephalus haben oder die nach Therapie des Hydrocephalus vor der Schwangerschaft völlig beschwerdefrei waren. Daher sollte all diese Frauen primär einmal als Risikoschwangerschaften (das ist halt ein Ausdruck in der Frauenheilkunde) angesehen werden.

Gestatten Sie mir an diesem Punkt noch eine persönliche Bemerkung: In fast 2 Jahrzehnten, in denen ich mich um die medizinische Versorgung von Patienten mit Hydrocephalus gekümmert habe, gab es mindestens (ich habe es mir nicht genau aufgeschrieben) 10 Frauen mit Hydrocephalus (therapiert oder untherapiert), die schwanger wurden. In allen Fällen konnte die Schwangerschaft ausgetragen werden oder zumindest bis zu einem Zeitpunkt fortbestehen, dass dem Kind daraus kein Schaden entstand, wenn eine frühzeitigere Geburtseinleitung notwendig war. Keine der Frauen selbst ist je in eine lebensbedrohliche Situation geraten, wenn gleich es durchaus auch einmal ein paar ernst zu nehmende Probleme gab, die Interventionen erforderten. In keinem Fall ist mir bekannt, dass ein Kind zu Schaden kam (wenn alle unten genannten Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden). In einem Fall scheint ein Kind mit Vorbelastung durch beide Eltern auch einen Hydrocephalus zu entwickeln. Darauf waren die Eltern aber vorbereitet und "sie gingen das Risiko" bewusst ein. Diese Aussage des überschaubaren Wiederholungsrisikos gilt jedoch nur vorbehaltlich der Tatsache, dass in beide Eltern genetisch keine Hinweise auf ein deutlich erhöhtes Risiko haben. Auch muss natürlich einschränkend gesagt werden, dass diese Kinder jetzt nicht einmal 20 Jahre alt sind (was später kommt, weiß ich natürlich nicht).

Dennoch: grundsätzlich stellt ein (behandelter oder unbehandelter) Hydrocephalus per se zunächst keinen Grund dar keinen Nachwuchs zu bekommen. Entsprechend ist ein Hydrocephalus per se auch keine (wenn keine anderen Gründe: Medikamenteneinnahmen, erhöhtes Risiko gemäß genetischer Untersuchung, andere Erkrankungen u.a.) zwingende medizinische Indikation zum Schwangerschaftsabbruch. 

 

 

B.)            Präkonzeptionelles Management

 

1) Sinnvoll und wünschenswert ist es, im Rahmen der Familienplanung, vor Eintritt der Schwangerschaft zunächst mit dem behandelnden Neurochirurgen zu sprechen. Es sollte, um die Shuntfunktion zu überprüfen oder auch bei unbehandeltem oder anderweitig behandeltem Hydrocephalus , in dieser Phase eine Kernspintomographie oder Computertomographie durchgeführt werden. Sollten sich hieraus Anhaltspunkte ergeben, die eine Shuntfehlfunktion oder sonst wie eine drohende Verschlechterung der Erkrankung andeuten, zunächst weitere Abklärungen erfolgen.

2) Die Medikamente, die ständig eingenommen werden müssen (z.B. Antikonvulsiva), sollten mit dem behandelnden Gynäkologen besprochen werden, inwieweit sie einen Einfluß haben könnten auf eine Schwangerschaft bzw. die Gesundheit des Kindes.

3)Genetische Beratung: In einigen wenigen Fällen kann ein Hydrozephalus genetisch fixiert sein und somit auf die eigenen Kinder weitergegeben werden. Insbesondere, wenn der Hydrozephalus im Rahmen eines offenen Neuralrohres (offenes Rückenmark) aufgetreten ist, besteht eine Wahrscheinlichkeit um die 3 %, dass das Kind ebenfalls einen Hydrozephalus haben wird.

4) Vitamine und Hitzeexposition: Möglichst früh sollten Vitamin-Mangelzustände, die die Gefahr eines offen Rückenmarkes beim Kind deutlich erhöhen würden, ausgeglichen werden. Vor allem Folsäure ist hier ein Problem. Nach den neuesten Erkenntnissen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sollten die Frauen mindestens 6 - 8 Wochen vor der Konzeption pro Tag 0,8 mg (frühere Empfehlungen von 0,4 mg sind überholt !!!) Folsäure (z.B. 2 Tabletten Folsan (4 mg pro Tablette) oder 1 Tablette Femibion (gibt's ne neue Zusammensetzung, die auch 8 mg Folsäue enthält) einnehmen (Folsäure ist übrigens ein Vitamin). Dies ist sicherer, als sich nur auf eine gesunde Ernährung zu verlassen (selbst bei "Bio-Produkten" kann der Gehalt an Folsäure stark schwanken). Hier sollte ebenfalls der behandelnde Gynäkologe kontaktiert werden. Darüberhinaus sind fruchtschädigende Medikamente zu vermeiden sowie die Exposition gegenüber starker Hitze (Sauna, längere Sonnenexposion und anderes), da hierunter ebenfalls Neuralrohrdefekte (offenes Rückenmark) entstehen können. Da zumindest damit gerechnet werden muss, dass eine Frau mit (behandeltem / nicht behandeltem) Hydrocephalus eine gewisse Prädisposition für Mittellinienstörungen (wie z.B. offenes Rückenmark) haben könnte, sollte man dieses Risiko minimieren. Man geht davon aus, dass mehr als 80% der Kinder mit offenem Rückenmark dieses nicht haben müssten oder in schwächer ausgeprägter Form, wenn eine ausreichende Folsäureversorgung in der Schwangerschaft gegeben gewesen wäre. Umgekehrt ist nicht jedes offene Rückenmark zwingend eine Folge von Folsäuremangel oder einer Hitzeexposition in der Frühschwangerschaft. Das nur zur Beruhigung ALLER die solche Veränderungen möglicherweise immer den armen Frauen in die Schuhe schieben möchten. Aber wenn man das Risiko ja mit so einfachen Mitteln drastisch reduzieren kann, sollte man es alleine schon wegen dem Kind machen

 

 

C.)              Management während der Schwangerschaft

 

1.                  Es muss eine engmaschige Beobachtung erfolgen bei jedweden Zeichen, die auf die Erhöhung des intrakraniellen Druckes hindeuten könnten: Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Lethargie, Ataxie, Krampfanfälle. Dies ist insofern besonders wichtig, da ein dekompensierender Hydrozephalus (ob mit Shunt versorgt anders therapiert oder bisher noch untherapiert) klinisch die gleichen Symptome verursachen kann, wie die Präeklampsie (sogenannte Schwangerschaftsvergiftung). Erfahrungsgemäß zeigen bis zu 60% der Patientinnen mit Hydrozephalus während der Schwangerschaft Zeichen einer intrakraniellen Druckerhöhung. Die Ursache hierfür können sein:

A.     eine Dekompensation einer partiellen Shuntfehlfunktion oder einer sonstigen Therapie des Hydrocephalus

B.    eine manifeste Shuntfehlfunktion oder einer sonstigen Therapie (z.B. Ventrikulozisternostomie) des Hydrocephalus (auch ohne Schwangerschaft kann das passieren)

C.    bei normaler Shuntfunktion oder unbehindertem Liquorfluss bei einer Ventrikulozisternostomie können dennoch Hirndruckerhöhungen entstehen wegen der auch im Hirngewebe gesteigerten Wassereinlagerungen während der Schwangerschaft und wegen des venösen Rückstaus in das Gehirn. welcher physiologischerweise unter der Schwangerschaft auftritt.

 

 

2.            Patientinnen, die während der Schwangerschaft Zeichen des Hirndruckes entwickeln, sollten eine Kernspintomographie erhalten, um die Ventrikelweite mit dem Vorbefund vergleichen zu können:

A.   Falls sich keine Veränderung hinsichtlich der Ventrikelweite gegenüber dem Vorbefund, als sich die Patientin noch wohl fühlte ergeben, muss der Shunt punktiert werden und / oder der Hirndruck gemessen werden, ggfs. auch Liquorkulturen angelegt werden. Eine Radioisotopen-Shuntographie kann notwendig sein.

B.   Wenn alle Untersuchungsergebnisse negativ sind, können normale Veränderungen während der Schwangerschaft für die Symptome verantwortlich seien. In diesem Fall ist Bettruhe, Flüssigkeitsrestriktion und in schweren Fällen auch die Verabfolgung von Steroiden und/oder Diuretika sinnvoll. Falls hierunter die Symptome nicht verschwinden, sollte eine frühe Geburt eingeleitet werden, sobald die Lungenreife des Kindes dies erlaubt (48 Stunden vor der geplanten Entbindung bis mindestens 3 Tage nach Entbindung (bei Patientinnen mit Shunt bis zum Ende des Wochenflusses) sollten prophylaktisch Antibiotika gegeben werden, z.B. Augmentan und Certomycin oder sonstige Antibiotika, die typischerweise das Keimspektrum innerhalb des Uterus abdecken ).

C.  Wenn die Ventrikel erweitert sind oder sonst wie eine Shuntfehlfunktion oder eine Hirndrucksteigerung dokumentiert sind, muss eine Shuntrevision oder eine sonstige operative Maßnahme zur Normalisierung des Hirndrucks (z.B. Wiederholung der Ventrikulozisternostomie) erfolgen.

1.      In den ersten zwei Trimenons der Schwangerschaft: ein ventrikulo-peritonealer Shunt sollte bevorzugt werden (die Applikation des peritonealen Katheters sollte nach dem ersten Trimenon nicht mehr mit dem Trokar erfolgen, sondern unter Sicht).

2.      Im dritten Trimenon: hier sollten ventrikulo-atriale oder ventrikulo-pleurale Shunts verwandt werden, um uterine Verletzungen zu vermeiden bzw. um nicht eine Frühgeburt zu provozieren.

 

 

D.)            Management während der Geburt

 

  1. Die Verabfolgung prophylaktischer Antibiotika (siehe oben) wird empfohlen während der Geburt und falls planbar, möglichst auch 48 Stunden davor, um eine Shuntinfektion zur vermeiden. Die antibiotische Behandlung sollte wenigstens bis zum dritten Tag nach der Geburt beibehalten werden. Bei Shunt-Trägerinnen (v.a. bei ventrikulo-atrialen Shunts) kann es sinnvoll sein sogar bis gegen Ende des Wochenflusses die Antibiose beizubehalten.

  2. Bei Patientinnen, die völlig beschwerdefrei sind (sollte kurz vor der Niederkunft mit dem behandelnden Neurochirurgen besprochen werden, nachdem er die Patientin untersucht hat), insbesondere beschwerdefrei hinsichtlich etwaiger Hirndruckzeichen, sollte eine vaginale Geburt bevorzugt werden, wenn dies aus gynäkologischer Sicht problemlos vertretbar ist (ein Mißverhältnis zwischen Geburtskanal und Kindskopfgröße sollte unbedingt vorher ausgeschlossen werden, um die Länge des Geburtsvorganges nicht unnötig zu prolongieren). Der Grund, weswegen die vaginale Geburt bevorzugt wird ist, dass bei einer Sektio grundsätzlich Adhäsionen des Peritoneums (im Bauchraum) entstehen können, die wiederum eine Shuntfehlfunktion nach sich ziehen können (ist auch wichtig für Frauen, die bisher noch keinen Shunt haben: was nicht ist kann noch werden) bzw. auch die Tatsache, dass der Peritonealkatheter bei einer Sektion infiziert werden kann. Bei der vaginalen Geburt sollte vor allem darauf geachtet werden, dass ab Stadium 2 des Geburtsvorganges alles unternommen wird, um eine zügige Geburt zu gewährleisten, da, - gemäß der bisher vorhandenen wenigen Erfahrung bzgl. Hirndruck unter Geburt -, der Hirndruck während dieser Phase wahrscheinlich höher ist, als während jedes anderen Valsalva-Manövers.

  3. Bei Patientinnen die symptomatisch werden, kurz vor der geplanten Entbindung oder unmittelbar unter der Entbindung, sollten zunächst die Vitalparameter stabilisiert werden und dann eine Sectio caesarea unter Vollnarkose! durchgeführt werden. Hierbei ist insbesondere auf ein akribisches Bilanzieren des Wasserhaushaltes zu achten. Hierzu können Pulmonalarterien-Katheter notwendig sein, in schweren Fällen sollten zusätzlich Steroide und Diuretika verabfolgt werden. Eine epidurale oder spinale Narkoseform sollte unter allen Umständen vermieden werden, da ein ggfs. eintretender, unkontrollierter Liquorverlust bei erhöhtem Hirndruck (also durchaus auch bei Patientinnen, deren Hydrocephalus bislang noch überhaupt nicht therapiert wurde) fatale Folgen haben kann und bei asymptomatischen Patientinnen muss bedacht werden, dass das lokale Anästhetikum infolge der Umkehr des Liquorflusses wesentlich schneller von spinal nach zerebral aszendiert bei liegendem Shunt (wie der Liquorfluss nach Ventrikulozisternostomien ist, ist noch zu unklar, um hier definitive Aussagen zu treffen, daher vorgehen wie bei Shuntträgerinnen).