moderne Shunts
Startseite Allgemeines Historie Anatomie Physiologie Graduierung Diagnostik Therapie häufige Fragen News Autor Literatur

 

Startseite
nach oben

 

Die Geschichte der Entwicklung der modernen Shunt-Systeme

Basierend auf den zwischen 1949 und 1960 entwickelten 4 Grund-Typen von Hydrocephalus Shunts wurden bis zum Jahr 2000 über 200 verschiedene Ventilkonstruktionen entwickelt. Etwa 130 verschiedene Ventile werden zur Zeit auf dem Weltmarkt angeboten. Da fast jede dieser Konstruktionen auch mit verschiedenen Öffnungsdrücken verfügbar ist, kann der Neurochirurg heute zwischen ca. 450 verschiedenen Ventilen wählen. Etwa 70 Konstruktionen befinden sich noch im Prototypen Stadium oder wurden wegen Mängel bereits wieder vom Markt genommen.

Es gibt zur Zeit:

13 verschiedene Kugel-Konus Ventile
ca. 40 verschiedene Diaphragma-Ventile
24 verschiedene proximale Schlitzventile
30 verschiedene distale Schlitzventile

Technisch gesehen handelt es sich bei allen um Differentialdruck-Ventile

Die weitere Entwicklung der Shunts zielte praktisch ausschließlich auf die Beherrschung des Problems der Überdrainage. Es wurden hierbei 4 verschiedene Wege beschritten

Einstellbare Ventile
Selbst-einstellende Ventile
Anti-Siphon Ventile
Gravitationsgesteuerte Ventile

 

Einstellbare Ventile 

Das erste einstellbare Ventil war eine Konstruktion von Kuffer und Strub (1969). Mittels eines Schraubenziehers konnte man hierbei die Spannung einer Feder verändern, die ihrerseits einen Kolben, der als Ventilmechanismus verwandt wurde, verändern. Trotz erfolgreicher Testung in einer Prototypenserie, setzte sich die Konstruktion am Markt nicht durch.

1973 entwickelte Portnoy ein Ventil, das mit einem on-off Mechanismus, der perkutan verstellt werden konnte und S.Hakim entwarf ein Ventil, das perkutan mittels eines Magneten hinsichtlich seines Öffnungsdruckes zu verstellen war. Auf den Weltmarkt gelangte jedoch erst 1983 eine Konstruktion von Marion das Sophysa SU3 Ventil, das wie von Hakim angedacht auf perkutanem Weg auf 3 verschiedene Öffnungsdrücke mit Hilfe eines Magneten einzustellen war. Eine Variante davon, - Sophysa SU8 mit 8 verschieden einstellbaren Öffnungsdrücken -, ist heute noch am Markt. 

Hakim's Grundidee wurde zusammen mit seinem Sohn noch etwas verändert und resultierte schließlich im "programmierbaren" (richtiger wäre der Ausdruck: einstellbaren) Medos- Hakim Ventil. Dieses wurde erstmals 1984 in Kolumbien in einer Prototypen Serie eingesetzt und war schließlich 1989 am Markt verfügbar. Seit 1990 wird es in Europa vertrieben und hat sich in der Zwischenzeit sehr gut behaupten können.

Heute sind 14 verschiedene einstellbare Ventile am Weltmarkt verfügbar.

Ihnen allen ist gemeinsam, dass sich ihr Öffnungsdruck in verschiedenen großen Schritten auf Werte meist zwischen 3 bis 20 cm H2O perkutan einstellen läßt. Der Neurochirurg kann damit zwar eher den individuellen Anforderungen des jeweiligen Patienten gerecht werden, indem er das Ventil nach dessen Implantation an die Bedürfnisse des Patienten anpassen kann, das Problem der Überdrainage war damit aber nicht gelöst. Der üblicherweise bei normalgroßen Erwachsenen zu kompensierende hydrostatische Druck beträgt zwischen 35 und mehr als 50 cm H2O . Dieser ist damit um ein Vielfaches größer als die höchst möglich Einstellung des Öffnungsdrucks verstellbarer Ventile. Zudem muß beachtet werden, daß durch eine hohe Einstellung des Öffnungsdrucks zwar das Ausmaß des negativen intrakraniellen Drucks zu reduzieren ist und entsprechend auch die Zahl und Schwere der daraus erwachsenden Komplikationen, dies erfolgt aber zu Lasten einer suffizienten Drainage in der liegenden Position, wo ein Öffnungsdruck von 20 cm H2O sicherlich zu hoch ist und damit der Therapie-Effekt sinkt.

 

Selbsteinstellende Ventile

Die zugrundeliegende Idee ein Ventil zu konstruieren, dass sich automatisch den Bedürfnissen des Patienten zur Liquordrainage anpaßt, ist zunächst sicher als hoch interessant zu bewerten. 

Erste Design-Studien zu solchen Ventilen gehen auf Hakim (1973) und Hildebrand (1976) zurück. Diese Ventile kamen jedoch über das Design-Stadium nie hinaus. Das erste auf dem Markt (1984) verfügbare Ventil dieser Art war das Cordis Orbis Sigma I Ventil, das von Sainte-Rose entwickelt wurde. Es ist seit 1996 mit leicht verändertem Design als Orbis-Sigma II Ventil vertreten. Ein weiterer Vertreter dieser Gruppe ist das PS-Medical Phoenix Diamond Ventil (1997), das von Paes entwickelt wurde. Codman (ehemals Medos) brachte 1999 mit dem Siphon-Guard einen weiteren Vertreter dieser Ventile auf den Markt.

Das Grundkonzept all dieser Konstruktionen geht von der Überlegung aus, dass die normale Liquorproduktion durchschnittlich 0,3 ml pro Minute beträgt. Somit sollte auch das zu drainierende Liquorvolumen in etwa in diesem Bereich liegen. Verändert ein Patient sein Körperlage von einer liegenden in eine aufrechte Position, so kommt es plötzlich zu einer deutlichen Änderung des Differentialdruckes über den Shuntenden. Beim klassischen Ventil führt dies zu einem plötzlichen Anstieg der pro Zeiteinheit drainierten Liquormenge und damit zur Überdrainage. Diesem Effekt versuchte man dadurch Herr zu werden, dass diese Ventile bei einem plötzlichen Ansteigen der drainierten Liquormenge automatisch ihre Ventilcharakteristika änderten. Die Ventile erhöhten ihren Abflußwiderstand derart, dass auch in Orthostase nicht mehr als 0,3 ml Liquor pro Minute abfließen konnten, was durchaus auch logisch erscheint, da die Liquorproduktion wahrscheinlich unabhängig von der Körperlage ist. Diese selbstregulierenden Ventile wurden daher auch als "fluss-gesteuerte" Ventile bezeichnet. 

Dieses Konzept berücksichtigt jedoch mehrere Fakten nicht. Einerseits handelt es sich bei dem Wert der Liquorproduktion, der als Basis-Konzept dieser Konstruktionen dient, um einen Durchschnittswert. Die tatsächliche Liquorproduktion pro Zeiteinheit scheint jedoch in weiten Bereichen zu variieren. Die hierbei wirksamen Einflußgrössen sind nur unzureichend bekannt. Andererseits treten beim Hydrocephalus vasogene Hirndruckkriesen (A-, B-Wellen) auf, die bei einer suffizienten Therapie eleminiert werden müssen. Um diese Hirndruckkriesen zu eliminieren, ist es kurzfristig nötig zum Teil deutlich höhere Liquormengen zu drainieren als 0,3 ml / min. Dies wird jedoch durch dieses Konstruktionsprinzip gerade verhindert. Die Tatsache, dass alle Konstruktionen noch eine "Sicherheits-Druckstufe" beinhalten, die bei Hirndrücken über 40 mm Hg das Ventil praktisch vollständig öffnet, konnte hierbei zwar Katastrophen verhindern, wurde der Tatsache aber, dass die meisten B-Wellen kaum solche Druckwerte erreichen nicht gerecht. 

Es verwundert somit nicht, dass diese Ventilart zwar die Überdrainage meist wirksam eindämmen konnte, andererseits aber gerade beim chronischen Hydrocephalus nur bedingt befriedigende Ergebnisse erzielen konnte, da die B-Wellen Elimination, die hier essentiell ist, nur bedingt erfolgte. Dennoch werden diese Systeme auch heute noch im neurochirurgischen Alltag häufig verwendet.

 

Antisiphon Ventile

Der erste und auch bekannteste Vertreter dieses "Genres" ist die Anti-Siphon-Device  (Heyer-Schulte ASD). Dieses Implantat wurde 1973 von Portnoy entwickelt und von Schulte im gleichen Jahr zum Patent angemeldet.  Später folgten von anderen Herstellern ähnliche Konstruktionen: Flow Limiting Device (Radionics) und Siphon Control Device (PS-Medican SCD). Konzeptionen entsprechen alle dem Grundprinzip der ASD, wenngleich sich die verschiedenen Typen auch im Detail marginal unterscheiden. Diese Konstruktionen sind alle zunächst als Zusatzimplantate zu einem konventionelle Ventil gedacht gewesen, es mußte also neben diesen Implantaten noch zusätzlich ein "normales" Ventil implantiert werden.  Zwischenzeitlich haben die verschiedenen Firmen auch Ventile entwickelt, die in einem Gehäuse das konvdentionelle Ventil und die Anti-Siphon Einheit integrieren. Die Unterschiede betreffen dabei hauptsächlich den Typus des konventionellen Ventils: Diaphragma-Ventil (Delta-Ventil, PS-Medical; Equiflow, Radionics); Kugel-Konus Ventil (Beverly); proximale Schlitz-Ventile (Multipurpose, Heyer-Schulte).

Die hinter all diesen Konstruktionen steckende Grundidee ist die einer den Liquorfluß kontrollierenden Membran. Kommt es beim Aufstehen des Patienten zu einem verstärkten Abfließen von Liquor über den Shunt, so entsteht im Schädelinnern und damit auch im Schlauch-System des Shunts zu einem im Vergleich zum Atmosphärendruck negativen Druck. Dieser saugt quasi die leicht bewegliche Membran der Antisiphon-Ventile nach innen, wobei diese dann die Liquorpassage im Implantat unterbindet bzw. deutlich reduziert. Legt sich der Patient wieder hin und fällt dann der Sogeffekt weg, so gibt das System der Theorie nach die Liquorpassage wieder frei. Wichtig dabei ist die Feststellung, dass zur korrekten Funktion dieser Konstruktionen der außen an der Schaltmembran anliegende Druck dem Atmosphärendruck entspricht. Dies kann aber, - da die Systeme ja nicht an der Körperoberfläche liegen sondern im subkutanen Fettgewebe plaziert sind -, spätestens nach dem Abschluß der Narbenbildung um das Implantat beileibe nicht mehr angenommen werden. Je nach Konstruktion führte dann der Narbendruck entweder zum permanenten Verschluß oder zur permanenten Freigabe der Liquorpassage. Es verwundert daher nicht, dass genau diese Beobachtungen auch im klinischen Alltag gemacht wurden und diese Konstruktionen in klinischen Studien keinen Vorteil gegenüber konventionellen Systemen zeigten. Vielmehr muß man sich wundern, dass diese Systeme sich in der Hydrocephalus-Chirurgie noch bis heute großer Beliebtheit erfreuen und nach wie vor implantiert werden.

 

Gravitationsgesteuerte Ventile

Ein erstes Ventil dieser Art konstruierte Hakim 1975 in Form des Cordis HV-Lumbo-peritonealen Shunts, davon unabhängig entwickelte Yamada 1979 das gleiche technische Konzept. Weder Hakim selbst, noch die Firma Cordis oder die "Gemeinde" der Neurochirurgen erkannten damals das revoluzionäre Konzept, das in Hakim's HV Lumboperitonealen Shunt bereits etwickelt war.

Mitte der 80er Jahre brachte die Firma Sophysa mit dem SU80 bereits ein ventrikulo - kardial / peritoneal implantierbares Ventil auf den Markt, das entsprechend der Körperlage seinen Öffnungsdruck ändern sollte. Ein rotierender Anker verstellte hier die Vorspannung einer Blattfeder, die den eigentlichen Ventilmechanismus kontrollierte. Beim Aufrichten rotierte der Anker der Schwerkraft folgend dabei so im Ventilgehäuse, dass es zu diesem Effekt kam. Das Schicksal dieser an sich genialen Konstruktion besiegelte jedoch ein gravierender Fehler des Ventil-Designs: Die rotierende Scheibe war nur für eine Bewegungsachse ausgelegt: nämlich für eine Lageänderung aus einer reinen Rückenlage in die Senkrechte und umgekehrt. Legte sich ein Patient auf den Bauch wurde der Mechanismus nicht bedient besonders gefährlich war es, wenn Patienten aus der Orthostase sich auf die linke oder rechte Körperseite legten. Auch diese Änderung der Lage des Körpers im Raum wurde nicht erkannt von dem Ventil. Die Blattfeder blieb, wie für die Orthostase gewünscht, maximal gespannt, was zu einer bedrohlichen Unterdrainage nach Wegfall des hydrostatischen Drucks führen konnte.

Erst 15 Jahre nach Hakim's lumboperitonealen Ventil  erkannte PD Dr.Aschoff (Heidelberg) und unabhängig davon Richard (Düsseldorf), dass mittels eines gravitationsgesteuerten Ventiles, das trotz multipler neuer Ventilkonzepte (flußgesteuerte Ventile, Antisiphon-Ventile) das weiterhin vorhandene Problem der Überdrainage am ehesten zu lösen sein müßte. Basierend auf dieser "Wiederentdeckung" des gravitationsgesteuerten Ventils, konzipierte eine Wissenschaftlergruppe um Prof. Affeld (Berlin) einen ersten Prototypen eines gravitationsgesteuerten Ventils (Affeld-Ventil). Das Konzept dieses Ventils war so überzeugend, dass Dipl.-Ing. Christoph Miethke, - ein Schüler Affelds und Mitglied der Arbeitsgruppe um Affeld -, daraus das marktfähige Produkt des Dual-Switch Ventils (DSV ) entwickelte. Es war das erste gravitationsgesteuerte Ventil, das zur ventrikulo-peritonealen Ableitung ausgelegt war (1995: erste klinische Erprobung; 1996: als Serienprodukt erhältlich). Der von Miethke kurz danach entwickelte "Shunt-Assistent" war als Zusatzimplantat gedacht, der bei Patienten, die bereits ein "konventionelles" Ventil hatten, aber unter den Folgen der bei diesen Ventilen unvermeidbaren Überdrainge litten, in dem Schlauchverlauf integriert werden sollte. Ob angeregt durch Miethke oder durch ein spätes Erwachen produzierte Cordis Mitte der 90er Jahre das Gravitation Compensating Accesory (GCA) mit Blick auf die gleiche Zielgruppe wie Miethkes Shunt-Assistent. Konstruktiv handelte es sich praktisch um ein Ventil, das dem 20 Jahre zuvor bereits produzierten Hakim HV-Lumbar entsprach bis auf die Tatsache, daß kein zusätzliches Kugel-Konus Ventil zur Liquordruckregulation in liegender Position integriert war. 

 Zur Zeit befinden sich insgesamt 18 gravitationsgesteuerte Ventile auf dem Weltmarkt. 12 dieser Systeme sind komplette Ventileinheiten. Bei 6 Konstruktionen handelt es sich um ein Zusatzimplantat, das in Kombination mit einem konventionellen Ventil implantiert werden muß.

 

Seitens des konstruktiven Prinzips müssen die gravitationsgesteuerten Ventile in zwei Gruppen gegliedert werden:

Ventile, wo die Gravitation nur zum Umschalten zwischen verschiedenen Ventildruckstufen benutzt wird (im weiteren als "SWITCHER" bezeichnet)
Ventile, wo das Gewicht einer oder mehrer beweglicher Elemente direkt als Gegengewicht zur Last der im Schlauchsystem des Shunts befindlichen Wassersäule benutzt wird (im weiteren als COUNTER-BALANCER bezeichnet)