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Die "Historie" des Kiefer-Index und Hinweise zur praktischen Handhabung

Zur "historischen" Entwicklung des Index

Die erste Version des Index wurde 1994 (Kiefer, Saarländ. Ärztebl. 47 (1994) 498 - 505) entwickelt. Die ersten "auswärtigen" Anwender der Klassifikation, - und hier insbesondere Herr PD.Dr.Meier (Meier, Akt.Neurologie 26 (1999) 127 - 132) -, befanden das System insgesamt als hervorragenden geeignet zur Verlaufsbeurteilung von Patienten mit chronischem Hydrocephalus, kritisierten jedoch eine zu hohe Bewertung in der Symptomkathegorie "Schwindel". Daher wurde dieser Punkt revidiert und führte zu der jetzt vorliegenden zweiten Version des Index (Kiefer et al., Zentralbl. Neurochir. 59 (1998) 287). Zur Erleichterung des interindividuellen Vergleiches wurde der Recovery-Index nach Meier (Meier, Akt.Neurologie 26 (1999) 127 - 132) als Ergänzung hinzugenommen.

Das jetzt vorliegende Graduierungssystem wird in der aktuellen "Deutschen Hydrocephalus-Studie" zur Klassifikation von Patienten mit chronischem Hydrocephalus verwendet. Die "Deutsche Hydrocephalus-Studie" ist eine offene, multizentrische, prospektive Studie, deren Design von einer Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie entworfen wurde und zu deren Teilnahme alle deutschen Neurochirurgen von der Fachgesellschaft aufgerufen wurden.

 

Allgemeines

Der Kiefer-Index ist ein Graduierungssystem, das aus der klinischen Praxis heraus entwickelt wurde. Es sollte einerseits so unkompliziert sein, daß es sowohl dem Arzt wie auch dem betroffenen Patienten keine zusätzlichen Untersuchungen außerhalb der klinischen Routine zumutet. Daher wurde bewußt auf den Einsatz z.B. psychometrischer Untersuchungen, wie dem vielfach in der Literatur zum Hydrocephalus angeführten "Mini-Mental-Test" (ursprünglich zur Bewertung der Demenz von Patienten mit M.Alzheimer entwickelt) verzichtet. Am Rande sei hier noch bemerkt, daß bisher kein psychometrisches Testverfahren ausreichend für Patienten mit chronischem Hydrocephalus (insbesondere mit so genanntem "Normaldruckhydrocephalus") evaluiert wurde. Da die fünf ausgewählten Symptomkathegorien üblicherweise auch in der Dokumentation (Arztbriefe ect.) der meisten neurologischen und neurochirurgischen Kliniken und Praxen aufgeführt sind, eignet sich dieses Graduierungssystem auch für retrospektive Datenanalysen. Gerade aus letzterem Grunde wurde auch darauf verzichtet die Schwere einer Gangstörung zum Beispiel an Hand der Schrittzahl oder der benötigten Zeit zur Bewältigung einer vorgegebenen Strecke durch den Patienten zu ermessen, was sicherlich zur Objektivierung beigetragen hätte. In prospektiven Untersuchungen können aber derartige Bewertungsmaßstäbe mit einbezogen werden (siehe hierzu: Detailerläuterungen). Die Einfachheit der Symptomkathegorisierung macht es auch dem Anfänger oder Doktoranten möglich mit dem Index umzugehen.

Andererseits sollte aber der Index nicht in dem Maße der subjektiven Einschätzung des klinischen Zustandes eines Patienten mit Hydrocephalus unterliegen, wie dies bei den in der Literatur zum Hydrocephalus weithin angewandten Graduierungen nach Stein und Langfitt (J.Neurosurg. 41 (1974) 463 - 470) oder Black (J.Neurosurg. 52 (1980) 371 - 377) gegeben ist. Beispielsweise werden Grad II bei Stein und Langfitt als "gewisse Überwachung zu Hause notwendig" und Grad III als "tägliche Fürsorge zu Hause notwendig, trotz beachtlicher Fähigkeiten zur Unabhängigkeit" klassifiziert. Eine derartige Graduierung unterliegt einer immensen subjektiven Bewertung durch den untersuchenden Arzt, daß hiermit kaum eine valide Aussage insbesondere bei Untersuchungen unterschiedlicher Therapiekonzepte zu erwarten sind, da die hiermit zu erzielende Trennschärfe äußerst gering ist. Die primär einmal dem Kiefer-Index ähnliche Klassifikation von Krauss et al. (Dt.Ärztebl. 94 (1997) A-589 - 595) läßt u.a. die Bewertung des Kopfschmerzes völlig außer Acht. Legt man strenge Maßstäbe an, so sollten Patienten mit so genanntem "Normaldruckhydrocephalus" keine Kopfschmerzen haben. Der klinische Alltag beweist jedoch hin und wieder das Gegenteil. Werden solche Patienten dann wie vieler Orten noch üblich mit konventionellen Hochdruckventilen (zur Vermeidung einer Überdrainage) behandelt, so leiden diese Patienten postoperativ noch häufig unter morgendlichen Kopfschmerzen wegen der unzureichenden Liquordrainage in liegender Position. Dieses Symptom würde in einer Klassifikation wie der von Krauss nicht erfaßt. Somit könnte mit dieser Klassifikation zum Beispiel daher nicht der Unterschied, der sich diesbezüglich aus der Verwendung hydrostatischer Ventile ergibt, erfaßt werden. Zudem erlaubt diese Klassifikation, - ebenfalls wegen des Fehlens der Symptomkathegorie Kopfschmerz -, nicht den Einsatz bei Patienten mit Okklusionshydrocephalus, wo Kopfschmerzen häufig auch als alleiniges Symptom vorkommen können.

Dennoch bleibt zweifellos festzustellen, daß auch der Kiefer-Index in einem gewissen Maß noch "Interpretationsspielraum" läßt, der bei der Detailbeschreibung zum Kiefer-Index so weit als möglich reduziert wird, ohne damit das Graduierungssystem zu komplizieren.

Es ist geplant den Index dort, wo ohne erheblichen klinischen Mehraufwand möglich, durch die Definition objektivierbarer Befunde noch zu verbessern (z.B. Erfassung von Schrittanzahl und benötigter Zeit zum Zurücklegen einer Gehstrecke von 10 m incl. einer 180° Kehrtwendung). Ein derartiges Graduierungssystem könnte für prospektive Studien eingesetzt werden. Die aktuelle Graduierung behält jedoch sicherlich ihren Einsatzbereich bei retrospektiven Analysen.      

 

 

Bewertungsgrundlagen

Bei der Bewertung der Schwere der einzelnen Symptome habe ich mich an den allgemein zugänglichen Tabellen, die in Deutschland zur Bewertung des Grades der Behinderung z.B. im Rahmen von Rentengutachten verwendet werden orientiert und die dort vorgenommene Gewichtung versucht bei der Graduierung wiederzugeben.

 

Welche Patienten können hiermit erfaßt werden ?

Das Graduierungssystem kann für alle Erwachsenen und Jugendliche ab dem 10 - 12 Lebensjahr eingesetzt werden, die unter einem chronischen Hydrocephalus (Symptomatik besteht seit mehr als 3 Monaten) oder einem akuten Hydrocephalus, dessen auslösende Grunderkrankung per se jedoch außer den Symptomen des Hydrocephalus keine Symptomatik erzeugt (z.B. kleine Kolloidzysten) leiden. Die Äthiologie des Hydrocephalus (Okklusionshydrocephalus bei Aquäduktstenose, Dandy-Walker-Syndrom, Arnold-Chiari-Syndrom ohne begleitende spinale Läsion oder kommunizierende, malresorptive Hydrocephalus-Formen wie der so genannte "Normaldruckhydrocephalus") spielt dabei primär keine Rolle. Problematischer wird dagegen der Einsatz der Graduierung, wenn ein Teil der Symptomatik nur bedingt oder gar nicht auf den Hydrocephalus zurückgeführt werden kann, insbesondere, wenn weitere zerebrale Erkrankungen bestehen. Patienten mit Hirntumoren, deren Symptomatik z.B. Gangstörung auf den Tumor selbst zurückzuführen ist oder Patienten nach Subarachnoidalblutung oder schwerem Schädel-Hirn-Trauma, bei denen ein Teil der Symptomatik noch Folgen der Grunderkrankung sind, können teilweise hiermit nicht bewertet werden. In Fällen, wo eine extrazerebrale Erkrankung für ein klinisches Symptom verantwortlich ist, das vom Graduierungssystem mit erfaßt wird (z.B. Inkontinenz durch Erkrankungen des Urogenital Traktes), kann dagegen die Graduierung sehr wohl verwendet werden. In diesen Fällen ist diese Symptomatik (im Beispiel also die Inkontinenz) durchgehend bei diesem Patienten mit 0 Punkten zu bewerten. Sollte sich ein Symptom klinisch hinsichtlich der auslösenden Ursache nicht zweifelsfrei (Hydrocephalus oder peripherer Organschaden) zuordnen lassen, so ist es ebenfalls ratsam dieses Symptom von der Bewertung auszuschließen und es im Einzelfall konsequent mit 0 Punkten zu bewerten. Nähere Erläuterungen zum Gebrauch des Index bei Problemen mit der Bewertung von Symptomen können den Detailerläuterungen zum Kiefer-Index entnommen werden.

 

Praktische Handhabung des Bewertungssystems

Vor der therapeutischen Intervention sowie zu allen Nachuntersuchungsterminen wird eine Bewertung der Punkte: Mentale Defizite, Ausmaß der Gangstörung, Vorhandensein und Ausmaß der Inkontinenz, Vorhandensein und Ausmaß von Kopfschmerzen sowie Vorhandensein und Ausmaß eines unsystematischen Schwindels (Drehschwindel als Zeichen einer Innenohrstörung oder Schwindelsensationen i.R. einer Kreislaufdysregulation werden immer ausgeschlossen) im Rahmen der Anamnese und der körperlichen Untersuchung des Patienten vorgenommen. In den einzelnen Bewertungskathegorien wird die Beschreibung ausgesucht, die die jeweilige Symptomausprägung bei dem Patienten am ehesten beschreibt und am Ende die Punktwerte in den fünf Einzelkathegorien für den jeweiligen Untersuchungstag addiert.

Maximal können dabei 23 Punkte erreicht werden. Ist nur eine individuelle Verlaufskontrolle für den jeweiligen Patienten vorgesehen, so genügt diese Bewertung, um auch nach Jahren den klinischen Verlauf eines Patienten suffizient nachvollziehen zu können. Soll dagegen im Rahmen von Therapiestudien ein Vergleich der Patienten untereinander erfolgen, empfiehlt es sich zusätzlich den Recovery-Index bei den Nachuntersuchungen zusätzlich zu berechnen.