Gravitationsshunts
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Schwerkraft Ventile (Gravitationsventile)

 

Die Schwerkraftventile müssen in 2 Untergruppen eingeteilt werden:

Counterbalancer Typ

Switcher Typ

 

Counterbalancer

Das Funktionsprinzip der Counterbalancer wurde als erstes erfunden. Ähnlich wie man bei einem Aufzug ein Gegengewicht zur Fahrstuhlkabine hat, beruht auch die Funktion der Counterbalancer auf einem Ausgleich der Kräfte. Im Liegen sind die beiden "Wasserreservoirs" Kopf und Bauchhöhle / Brustkorb, die über den Shunt miteinander verbunden sind auf gleicher Höhe. Richtet sich ein Patient auf, so ist das "Wassereservoir" Kopf ca. 50 cm (je nach Körpergröße) hoher als das "Becken" wohin der Liquor fließen soll. Das "Wasser" im Kopf hat demzufolge eine höhere potentielle Energie gespeichert. Im Schlauchsystem steht eine 50 cm hohe Wassersäule, die ein gewisses Gewicht hat. Genau dieses Gewicht muß ausgeglichen werden. Hierfür muß ein Gegengewicht her. Dieses Gegengewicht stellen im Falle des Hakim Lumbar Ventils drei (2 - 4) Metallkugeln dar (rot dargestellt). Liegt der Patient, so fallen die Kugeln aus dem Konus. Die Liquorpassage ist frei. Der Liquorfluß wird nur vom Hauptventil (grün dargestellt), das im Falle des Hakim Lumbar Ventils ebenfalls ein Kugel-Konus Ventil ist. Steht der Patient auf, so fallen die Kugeln (pink und rot) in den Konus. Primär ist damit der Konus verschlossen, den der Liquor passieren muß. Ist der Differentialdruck über den Ventilenden jedoch größer als das Gewicht der drei (roten) Kugeln und als die Federkraft am Hauptventil, so wird die kleine (pink-farbene) Kugel aus dem Konus gehoben und es kann Liquor auch im Stehen fließen. Das Gewicht der 3 (roten) Kugeln entspricht exakt dem Gewicht der Wassersäule die im Shunt steht, wenn ein Patient sich voll aufrichtet. Dieses Gegengewicht ermöglicht es dann, dass das Hauptventil praktisch unabhängig von der Körperposition immer gleiche physikalische Verhältnisse vorfindet, da der Einfluß des hydrostatischen Drucks durch das Gegengewicht praktisch immer exakt ausgeglichen wird und damit in der Betrachtung vernachlässigt werden kann. Erstmals war somit ein Ventil realisiert, das tatsächlich die Körperposition eines Patienten "erkennt" und seine physikalischen Eigenschaften daran anpaßt.

Cordis Hakim HV- Lumbar Ventil (Hauptventil: Kugel-Konus Ventil)

 

Miethke Shunt-Assistent (links) und Miethke PAEDI-GAV (rechts)

 

In der Darstellung des Miethke Shunt-Assistenten ist eine Besonderheit des Counterbalancer Typs noch illustriert: Diese Konstruktion kennt nicht nur 2 Zustände aufrecht stehend / flach liegend sondern kompensiert den hydrostatischen Druck absolut exakt, egal in welchem Winkel zur Senkrechten sich der Patient befindet. Dies geschieht dadurch, dass die als Gegengewicht dienende Gewichtskugel (beim Shunt-Assistenten grün dargestellt, beim PAEDI pink dargestellt) nicht vollständig aus dem Konus Fallen kann, sondern nur in begrenztem Umfang aus dem Konus kippen kann. Damit hat man in der Tat eine analog funktionierende Kompensation des hydrostatischen Drucks.

Während der Shunt-Assistent ein Zusatzventil ist, das mit einem konventionellen Hauptventil kombiniert werden muß, gibt es zwischenzeitlich auch die "All in one" Lösungen, bei denen Haupt und Zusatzventil in einem Gehäuse untergebracht sind, so zum Beispiel das Miethke PAEDI GAV, eine ähnliche Konstruktion gibt es auch für Erwachsene. Auch das Hakim Lumbar Ventil ist eine solche "all in one" Lösung.

Konstruktiv unterscheiden sich die Miethke Ventile und das Hakim Ventil dadurch, dass bei Hakim zwischen 2 und 4 Stahlkugeln das Gegengewicht des hydrostatischen Drucks bilden, während Miethkes Ventil hier nur mit einer Tantalkugel auskommt. Rein technisch betrachtet führt dieser geringe konstruktive Unterschied möglicherweise dazu, dass im Miethke Ventil die lineare Strömung des Liquors um die Tantalkugel etwas harmonischer erfolgt als um die 2 - 4 Kugeln in Hakims Ventil. Dort wird der Liquorstrom aus rein physikalischer Sicht wohl etwas mehr verwirbelt sein. In der täglichen Praxis wird man diesen Unterschied jedoch kaum wahrnehmen

 

 

Switcher

 

Sophysa AS Ventil

 

Dem Switcher Ventil-Typ liegt der Gedanke zu Grunde, das ein Patient im Stehen ein völlig anderen Ventilöffnungsdruck benötigt als im Liegen. Man könnte quasi sagen, dass ein Patient je nachdem in welcher Lage sich sein Körper befindet ein anderes Ventil benötigt. Genau dieser Gedanke wird mit dem Switcher Typ realisiert. In einem Gehäuse befinden sich 2 oder 3 Ventile mit einem unterschiedlichen Öffnungsdruck. Je nachdem in welcher Position sich der Körper befindet wird das für diese Position richtige Ventil aktiviert.

Das erste Ventil dieser Art war das Sophsa AS Ventil. Das Prinzip dieses Ventils besteht darin, dass ein Anker sich mit seinem Schwerpunkt immer nach unten ausrichtet (gelb in der Abbildung des Sophysa AS Ventils). Dadurch wird eine Blattfeder (rot dargestellt) mehr oder weniger vorgespannt. Diese Blattfeder bedient sein Kugel Konus Ventil. Soweit so gut würde man sagen. Leider war aber diese Konstruktion eine Fehlkonstruktion, da das Ventil nur erkannte, wenn ein aufrecht stehender Patient sich auf den Rücken legte, nicht jedoch, wenn er sich zwar auch ins Bett legte aber z.B. auf den Bauch oder die Seite. Dies wurde vom Ventil nicht erkannt. Es blieb in einer Einstellung als stünde der Patient noch, was natürlich für die liegende Position viel zu hoch war. Gefährliche Unterdrainagen konnten die Konsequenz sein.

 

Miethke Dual-Switch Ventil (DSV)

 

Erst mit dem Miethke Dual Switch Ventil wurde das erste Schwerkraftventil vom Switcher Typ vorgestellt, das auch in der Praxis funktionierte. Im Gegensatz zur Sophsya Konstruktion "merkte" das Ventil Änderungen der Körperlage nicht nur in einer Bewegungsachse sondern wie es sein muß in allen 3 Raumachsen.

Beim DSV sind 2 Ventil, - ein Hochdruckventil für die stehende Position und ein Niederdruckventil für die liegende Position -, in einem Gehäuse untergebracht. Zwischen beiden Ventilen schaltet eine Tantalkugel (grün dargestellt) um. Das obige Bild illustriert die Funktion. Im Liegen ist das Niederdruckventil aktiviert. Sobald der Differentialdruck die Federkraft der (roten) Feder überwindet fließt Liquor, dabei passiert der Liquor eine Stelle, die für die Funktion dieses Ventils essentiell ist, die (grüne) Tantalkugel. Im Liegen ist sie aus dem Konus herausgefallen und bietet dem Liquor keinen Widerstand. Im Stehen dagegen ist die Situation völlig anders. Hier verschließt die Tantalkugel den Abflußkanal des Liquors aus dem Niederdruckventil. Einzig die Seite des Hochdruckventils bleibt dem Liquor um fließen zu können. Dieses ist möglich sobald die Federkraft (schwarz dargestellt) des Hochdruckventils überwunden wird.

Man wird sich nun fragen und was ist mit den Zwischenpositionen ?

Ein Patient kann sich ja nicht immer nur senkrecht aufrecht halten oder absolut flach liegen. Vom Konstruktionsprinzip des Ventils könnte man meinen, dass dieses Ventil nur für diese beiden Extrempositionen konzipiert ist. Dies ist aber keineswegs der Fall. In allen Zwischenpositionen flattert die Tantalkugel hin und her. Sie kippt nämlich bei Schräghaltung des Körpers etwas aus ihrer Position über dem Konus und läßt damit den Liquorfluß über das Niederdruck zu. Ist der Liquorfluß aber hoch, so preßt dieser die Kugel wiederum in den Konus und deaktiviert damit das Niederdruckventil. Der Liquorfluß in den Zwischenpositionen wird also die die zeitlich unterschiedliche Aktivierung von Hoch- und Niederdruckventil bestimmt. Sowohl der Winkel in dem sich das Ventil zur Senkrechten befindet, wie auch die Geschwindigkeit des fließenden Liquors definieren dabei, ob Hoch- oder Niederdruckventil aktiviert sind.

 

Switcher oder Counterbalancer ?

Es wird natürlich jetzt die Frage aufkommen, welcher Typ der Schwerkraftventile denn wohl der bessere sei. Eine antwort auf diese Frage kann man heute noch nicht geben, da es noch keine Vergleichsstudien dieser beiden Ventiltypen gibt. Jedes der beiden Funktionsprinzipien hat sein spezifischen Vor- und Nachteile. Grundsätzlich kann man wohl sagen, dass der Counterbalancer den hydrostatischen Druck wohl etwas "aggressiver" ausgleicht als der Switcher Typ. Daher kann man sagen, dass beim Counterbalancer eher mal eine Unterdrainage entstehen kann, während beim Switcher eine gewisse Tendenz zur Überdrainage bestehen könnte. Man sollte den Counterbalancer also eher dort einsetzen, wo man die Gefahr der Überdrainage als exorbitant hoch einschätzt, während der Switcher Typ eher bei Hydrocephalusformen einzusetzen ist, bei denen man diese Gefahr als geringer bewertet, aber eine permanent suffiziente Drainage zur optimalen Therapie des Patienten sehr wichtig ist.

 

Kritische Bewertung der Schwerkraftventile

Die Schwerkraftventile sind sicherlich heute als die zur Zeit besten Ventile einzustufen, da es hiermit erstmals möglich ist eine suffiziente Liquordrainage unabhängig von Körperlage zu gewährleisten, da der Einfluß des hydrostatischen Drucks effektiv eliminiert wird. Rein technisch gesehen haben aber diese Ventile auch noch gewisse Schwächen. Bei forcierter körperlicher Aktivität wie etwa beim Joggen, können sich die Kugeln, die das Schwerkraftventil ausmachen innerhalb eines begrenzten Umfanges ballistisch bewegen. Im klinischen Alltag gibt es bisher jedoch keine Hinweise, dass diese Schwäche ggf. die korrekte Funktion dieser Ventile behindert.

Zur Therapie eines chronischen Hydrocephalus müssen die Schwerkraftventile heute als "Gold-Standard" betrachtet werden.

Wesentlich für eine korrekte Funktion von Schwerkraftventilen ist jedoch ihre Implantationsort.

Das rechte Röntgenbild zeigt ein DSV, das im unteren Drittel des Brustkorbes implantiert ist. Es ist nahezu parallel zur senkrechten Körperachse. Entsprechend schaltet dieses Ventil auch korrekt zwischen Hoch- und Niederdruckventil um, wenn der Patient seine Körperposition ändert. Das linke Röntgenbild zeigt ein DSV, das an einer anderen Klinik implantiert wurde. Es wurde in der Nähe des Schlüsselbeins implantiert. Zur Körperlängsachse hat dieses Ventil einen Winkel von etwa 45°. Dieses Ventil kann nicht korrekt umschalten von der Nieder- zur Hochdruckseite, da selbst beim senkrechten Stehen, das Ventil noch in einer solchen Schräglage ist, dass die schaltende Tantalkugel den Abfluß aus dem Niederdruckventil nicht wie gewünscht verschließt. Nach korrekter Implantation des Ventils hatte dieser Patient keine Beschwerden mehr durch die Überdrainage, die vorher bestand.