flowgesteuerte Shunts
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Flußgesteuerte Ventile

 

Dieser Ventiltyp wird auch als "selbst-regulierende" (auto-regulierende, flow-gesteuerte) Ventile bezeichnet.

Cordis Orbis-Sigma Ventil (OSV)

Stadium 1: für die liegende Position und bei fehlendem hydrostatischen Druck: Der Durchfluß des Liquors wird mäßig begrenzt. Der rote Strich gibt die Breite der Öffnung an, die dem Liquor zur Passage zur Verfügung steht

 

 

Stadium 2: für stehende Position, wenn ein hydrostatischer Druck anliegt: Durch den höheren anliegenden Differentialdruck in dieser Situation, wird eine elastische Membran (grün dargestellt) nach unten Durchgebogen. Dadurch wandert die Membran entlang eines Stößels (pink dargestellt) in eine Position, in der der Durchmessers des Stößels dicker ist. Damit wird die Größe des Lumens, die dem Liquor zum Durchtritt zur Verfügung steht reduziert. Der Durchfluß des Liquors wird also erschwert.
Stadium 3: Notfallposition: Ist der Differentialdruck sehr hoch, so bewegt sich die Membran noch weiter nach unten. Der Stößel ist dann nicht mehr in einer Position, dass er das Abfließen des Liquors behindert. Es kann in kurzer Zeit sehr viel Liquor abfließen. Diese Position ist gedacht um lebensbedrohliche Hirndrucksituationen zu verhindern.

 

 

 

Funktionsprinzip flußgesteuerter Ventile

 

Der Prototyp der flow-gesteuerten Ventile ist das Orbis Sigma Ventil. An Hand dieses Ventils soll die Funktion erläutert werden.

Die Grundidee flow-gesteuerter Ventile ist, dass ein Hydrocephalus eigentlich dann gut behandelt sein müßte, wenn unabhängig von der Körperlage des Patienten oder sonstiger Einflußgrößen die drainierte Liquormenge nicht höher ist als die im gleichen Zeitraum produzierte Menge. Hierzu wurde mit dem OSV ein Ventil vorgestellt, dass unabhängig vom anliegenden Differentialdruck über den Shuntenden die pro Zeiteinheit drainierte Liquormenge konstant hält. (Normalerweise würde bei einem konventionellen Ventil bei einem höheren Differentialdruck über den Shuntenden mehr Liquor pro Zeiteinheit drainiert.) Dieses wird dadurch erreicht, dass die Öffnung in einer elastischen Membran (grün dargestellt) durch einen Stößel (pink dargestellt) mehr oder weniger eingeengt wird. Bei niedrigem Differentialdruck (Stadium 1) befindet sich die Membran in einer Position, wo der Durchmesser des Stößels sehr schmal ist. Der Abflußwiderstand des Ventils ist damit mäßig hoch. Richtet sich der Patient auf, so steigt der Differentialdruck über den Shuntenden dramatisch um den Betrag des hydrostatischen Drucks an. Hierdurch wird die Membran nach unten ausgelenkt. Sie steht dann in einer Höhe, wo der Stößel seinen maximalen Durchmesser hat. Das Lumen, das dem Liquor zum Durchfluß dient wird dadurch deutlich verringert. Damit steigt der Abflußwiderstand des Ventils deutlich an (Stadium 3). Hieraus ergibt sich dann, dass trotz des Anliegens eines höheren Differentialdrucks die Liquormenge pro Zeiteinheit, die durch den Shunt fließen kann praktisch unverändert ist im Vergleich zu einer Situation, wo ein geringerer Differentialdruck vorliegt. Mit diesem Konzept hätte man dann in der Tat ein System, dass unabhängig von der jeweiligen Position des Körpers und unabhängig vom anliegenden Differentialdruck praktisch immer die gleiche Menge Liquor pro Zeiteinheit durchtreten läßt.  Das Ventil ist in seiner Dimensionierung dabei so konzipiert, dass theoretisch etwa 20 - 40 ml Liquor pro Stunde es durchfließen können.

Für den Fall einer lebensbedrohlichen Hirndruckerhöhung wurde zusätzlich eine weitere Sicherheitsstufe implementiert (Stadium 3): Die Membran steht hier so tief, dass der Stößel das Lumen in der Membran nicht mehr einengt. Es können dann in kurzer Zeit große Liquormengen durchfließen.

 

Phoenix CRx Diamond Ventil (Paes-Ventil)

Das Diamond Ventil verfolgt exakt das gleiche Funktionsprinzip, wie das Orbis Sigma Ventil: ein pro Zeiteinheit gleichbleibender Liquordurchtritt unabhängig vom anliegenden Differentialdruck. Ebenso wie das OSV hat es auch ein Ventil das bei lebensbedrohlichen Hirndruckerhöhungen in kurzer Zeit große Liquormengen passieren läßt.

Lediglich der konstruktive Aufbau unterscheidet sich vom OSV. Die Flußbegrenzung wird beim Diamond Ventil durch die Verengung eines rautenförmigen Lumens (hellblau in Abbildung) bei steigendem Differentialdruck erzielt.  Das Lumen wird dadurch verengt, dass bei steigendem Differentialdruck ein im Zentrum des Ventils gelegener Silikonzylinder (rot dargestellt) zunehmend zusammengepreßt wird durch den höheren Differentialdruck. Da sich in diesem Zylinder auch das rautenförmige Lumen befindet, das den Liquordurchfluß regelt, befindet, wird mit Kompression des Zylinders das Lumen enger.

 

 

 

Codman Siphon Guard Ventil (SGV)

 

Der Siphon Guard ist Codman's Variante einer Flußreduktion unabhängig vom anliegenden Differentialdruck. Bei niedrigem Differentialdruck fließt der Liquor durch das Primärventil (Kugel-Konus Mechanismus (im Bild gelb und hellgrün)). Mit steigendem Differentialdruck wird die Kugel mehr und mehr in den Konus gepreßt bis dieser Durchflußweg komplett verschlossen wird (grüne Pfeile). Eine spiralige Blattfeder dient als Gegenkraft, die die Kugel, sobald der Differentialdruck wieder geringer wird wieder aus dem Konus drückt. Die Spannung dieser Feder definiert also den Differentialdruck bei dem der primäre Liquordurchflußweg blockiert wird. Ist der primäre Liquordurchtrittsweg blockiert, so kann aber dennoch Liquor dieses System passieren und zwar auf dem mit roten Pfeilen und Strichen angedeutetzen Weg. Dieser 2. Weg ist durch seine spiralige Konzeption und der Enge des Lumens nur in der Lage sehr geringe Liquormengen passieren zu lassen auch wenn ein sehr hoher Differentialdruck anliegt (je enger das Lumen und je länger der Schlauch desto weniger Liquor kann ein Hindernis pro Zeiteinheit passieren).

 

 

Bewertung fluß-gesteuerter Ventile

Erinnern wir uns, das Grundkonzept war: nicht mehr abfließen lassen als zur selben Zeit nachgebildet wird. Das Konzept wäre sinnvoll, wenn man genau sagen könnte wieviel Liquor tatsächlich bei dem einzelnen Patienten gebildet wird. Die immer wieder angegebene Menge von 20 ml pro Stunde ist Mittelwert, der aber in keiner Weise etwas über die individuelle Liquorproduktion aussagt. Alle Konzepte flow-gesteuerter Ventile orientieren sich aber hieran. Sie versuchen den Durchfluß von Liquor in etwa auf dieses Maß zu begrenzen und zwar unabhängig vom anliegend Differentialdruck. Im Labor ist auch tatsächlich nachweisbar, dass dies den meisten Konstruktionen mehr oder weniger gut gelingt.

Der grundsätzliche Fehler ist dabei aber, dass die Liquorproduktion nicht konstant ist: Die Liquorproduktion verändert sich deutlich im Laufe eines Tages, es gibt Zeit, wo deutlich mehr als 20 ml / h produziert werden, ebenso wie Zeiten, wo deutlich weniger produziert wird. Auch ist bekannt, dass die Liquorproduktion mit zunehmendem Alter abnimmt. Vor allem ist aber auch hervorzuheben, dass sehr viel Einflußgrößen, die die Liquorproduktion beeinflussen noch unbekannt sind. Somit muß man die fluß-gesteuerten Ventile bereits an diesem Punkt als kritisches Konzept bewerten.

Es gibt aber weitere Argumente, die die bisherigen Konstruktionen dieser Art als bisher noch ungenügend erscheinen lassen:

Um die notwendige Begrenzung des Liquordurchflusses auf 20 - 30 ml/h zu erzielen, ist es notwendig den Querschnitt des eigentlichen Ventilmechanismus sehr eng auszulegen. Daher zeigen einige Konstruktionen Tendenzen leicht zu verstopfen. Bei den neueren Konstruktionen liegen noch keine ausreichenden klinischen Erfahrungen vor, doch muß man befürchten, dass sie aufgrund der konstruktiven Ähnlichkeit ebenfalls diese Schwäche aufweisen.

Das aus meiner Sicht wesentlichste Argument aber, das gegen diese Ventile spricht ist, dass mit diesen Ventilen vasogene Hirndruckkriesen nur unzureichend behandelt werden. Insbesondere die beim Normaldruckhydrocephalus auftretenden B-Wellen, die als die Erkrankung vorantreibend diskutiert werden, werden mit diesen Ventilen nicht beseitigt.  B-Wellen führen oft nur zu Hirndruckanstiegen bis 40 cm H2O. Dies ist exakt so hoch, wie der Differentialdruck ansteigt, wenn sich zum Hirndruck der hydrostatische Druck in Orthostase addiert, und genau im Bereich dieser Großenordnung des Differentialdrucks entwickeln diese Ventilkonzepte den höchsten Abflußwiderstand. Ein Ventil kann nicht differenzieren, ob eine Steigerung des Differentialdrucks durch B-Wellen oder durch das Hinzukommen des hydrostatischen Drucks entsteht. Es wird sich rein physikalisch immer gleich verhalten.

Wenn man aber postuliert, dass die B-Wellen mit dafür verantwortlich sind, das bestimmte Formen des Hydrocephalus fortbestehen und gar das Krankheitsbild sich durch sie mit der Zeit verschlimmert, so ist die Konsequenz, dass ein Ventil diese B-Wellen beseitigen muß. Hierzu sind flußgesteuerte Ventile konzeptionell aber nicht in der Lage.

B-Wellen entstehen dadurch, dass kurzfristig das Blutvolumen im Kopf zunimmt. Beim Vorliegen eines Hydrocephalus wird diese Änderung nicht wie beim Gesunden abgepuffert, so dass der Hirndruck bei Patienten mit Hydrocephalus unter diesen Umständen ansteigt. Diesem kann nur dadurch begegnet werden, dass etwa in der gleichen Größenordnung wie das Blutvolumen im Kopf zunimmt der Shunt Liquor passieren läßt, sodass die sich im Schädelinnern befindlichen Flüssigkeitsvolumina ausgleichen und damit der Hirndruck konstant bleibt.